GEMA schießt weit übers Ziel hinaus: Willkommen im „Tarif-Labyrinth“!

Mittwoch, 17.10.2012
Ein mit harten Bandagen geführter Verteilungskampf geht in die nächste Runde: Für die neuen Tarife der Musiktantiemen hat der Rechteverwerter GEMA die Ziellinie zum 1. April 2013 festgezurrt und, mangels Einigung mit den Dachverbänden von Musikveranstaltern und Diskothekenbetreibern, in einer noch gar nicht verhandelten Fassung im Bundesanzeiger publiziert. Ein Schiedsstellenverfahren beim Deutschen Patent- und Markenamt […]
Susanne Weiß

Ein mit harten Bandagen geführter Verteilungskampf geht in die nächste Runde: Für die neuen Tarife der Musiktantiemen hat der Rechteverwerter GEMA die Ziellinie zum 1. April 2013 festgezurrt und, mangels Einigung mit den Dachverbänden von Musikveranstaltern und Diskothekenbetreibern, in einer noch gar nicht verhandelten Fassung im Bundesanzeiger publiziert. Ein Schiedsstellenverfahren beim Deutschen Patent- und Markenamt ist beantragt. Die Fronten sind verhärtet und ein zäher Weg durch die Instanzen scheint unausweichlich. Noch schwelt der Konflikt abseits der breiteren öffentlichen Wahrnehmung – nur in Berlin macht Ende Juni ein Fähnlein Protestierender seiner Angst vor der befürchteten Kostenexplosion lautstark Luft – doch die Tarif-Neuregelung betrifft jeden Veranstalter, der Musik nutzt: von der Abi-Fete bis zum Tanztee mit Tusch und Zauberei.

Profunde Sachkenntnis zum Thema ist jedoch eher dünn gesät. Wäre aber dringend notwendig, weiß Gerhard Baral, in Personalunion Geschäftsführer der PF Event GmbH und des soziokulturellen Zentrums Kulturhaus Osterfeld in Pforzheim; denn: „Das Grundproblem der GEMA ist eine Gebührenordnung, die ein Normalsterblicher allenfalls nach jahrelanger Berufs- und Abrechnungserfahrung durchschaut“.

Grundidee und Überregulierung
Dennoch hält Gerhard Baral die Grundidee der GEMA – Abgaben für rechtlich geschützte Musik zu erheben und als Tantiemen an die Urheber auszuschütten – für richtig. Er betont: „Musik ist nicht das kostenlose Nutzungsgut aller! Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter des Urheberrechts, aber nicht des galoppierenden Wahnsinns bei der Abgabenerhebung.“ Doch gerade hier liegt ein im Laufe der Jahre immer weiter gewachsenes Problem des GEMA-Mandats: Regeln – und für ihre Mitglieder abrechnen – will und soll die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte eigentlich alles. Es gibt Tarife für alle Lebensbereiche und sogar darüber hinaus: Gebührenpflichtig ist Musik bei Trauungen, bei Bestattungen, auf Messen und Ausstellungen und Anrufbeantwortern sowie bei Gottesdiensten und bei Erotikfilmvorführungen in Videoeinzelkabinen. Immerhin sieht das mit deutscher Gründlichkeit ausgefeilte Regelwerk der GEMA für Veranstaltungen von Gehörlosen eine Ermäßigung – keinen Erlass (!) – vor.

„Das Urheberrecht ist an sich schon sehr komplex“, hält Peter Hempel, GEMA-Pressesprecher in München, dagegen: „Wir sind verpflichtet, all unsere Tarife zu veröffentlichen, daher kann man auf unserer Website auch einsehen, was beispielsweise das ZDF zur Lizenzierung seiner Musiknutzung bezahlen muss – auch wenn dieser Tarif für das Gros der durchschnittlichen Lizenznehmer nicht unbedingt relevant oder interessant ist“. Als Ziele der zum 1. April 2013 geplanten Tarifneuregelung nennt er Gleichbehandlung, Transparenz und Vereinfachung – räumt aber durchaus ein, dass „elf Tarife weniger nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind.“

Tücken bei Erfassung und Abrechnung
Die Detailfülle und ein kompliziertes Meldewesen sorgen schon lange für Verdruss. „Bis vor ein paar Jahren“, führt Gerhard Baral aus, „galt beim sogenannten VK-Tarif die überschaubare Regel: Quadratmeter und Eintrittspreis ergeben die Gebühr. Die Belastungen durch diese Gebührensätze fielen bei kleineren Veranstaltungen im Verhältnis zu den bescheidenen Einnahmen oftmals überproportional hoch aus. Sobald diese Gebühren zehn Prozent der Einnahmen übersteigen, gab und gibt es eine Befreiungsmöglichkeit. Diese zu erreichen war und ist jedoch ein sehr, sehr hoher Verwaltungsaufwand, den kaum jemand zu leisten vermag. Seit 2011 gilt das Bruttoprinzip – das bedeutet: Für den an die GEMA abzuführenden Anteil sind die Bruttoeinnahmen der jeweiligen Veranstaltungen ausschlaggebend. Tatsächlich ist das Bruttoprinzip eine gute Bemessungsgrundlage für Veranstaltungen mit bis zu 2.000 Besuchern – bei darüber hinausgehendem Zuschaueraufkommen sind die Gebühren in der Regel höher als die Abrechnung nach VK-Tarif. Die GEMA nimmt für sich in Anspruch, nach dem für den Veranstalter jeweils günstigsten Tarif abzurechnen, also VK oder Bruttoprinzip.

Anmeldung erfolgt aber immer nach dem Bruttoprinzip – die Kontrolle der GEMA-Rechnung ist gerade durch dieses offene Abrechnungsverfahren für die Veranstalter sehr aufwendig geworden. „Außerdem“, ergänzt Gerhard Baral, „ist die Anmeldung im Bruttotarif bislang nur online möglich: Am Bildschirm ist Konzentration und Sorgfalt gefragt. Man muss auf drei Seiten Angaben zum Titel der Veranstaltung, zu Ort, Datum, Uhrzeit, Eintrittspreis und zu den Einnahmen eintippen: ein riesiger Zeitaufwand auf einer unlogisch aufgebauten und nicht fehlersicheren Plattform. Gibt man beispielsweise auf der ersten Seite Einnahmen in Höhe von 1.400 Euro ein und tippt auf der dritten fälschlicherweise, bei der Wiederholung der gleichen Abfrage, 1.900 Euro ein, nimmt das System dies ohne Hinweis auf den Fehler an. Ein Online-Speichern soll erst künftig möglich werden; bisher kann man sich nur mit Ausdrucken für jeden einzelnen Vorgang behelfen – ein enormer Buchhaltungsaufwand bei unseren 250 Veranstaltungen pro Jahr!“

Doch damit nicht genug: Gerhard Baral beschreibt auch Mängel bei den GEMA-Abrechnungen im Rücklauf: „Bei deren Kontrolle ist ein weiterer großer Aufwand notwendig; es sind schon komplett falsche Zahlen aufgetaucht. Da ist dann ein wirklich guter Urheberrechtsanwalt hilfreich. Wir hatten beispielsweise schon die Situation, dass wir blind mit 200 % Gebühren belastet wurden. Was den Veranstaltern zusätzlich das Leben schwer macht: Die Beweispflicht liegt nie bei der GEMA, daher herrscht nie „Waffengleichheit“. Zur „Ehrenrettung“ der Gema muss allerdings gesagt werden: Sie wird auch häufig betrogen. Aber deshalb darf sie eine Betrugsabsicht im Rahmen einer jahrelangen Zusammenarbeit nicht per se und jedem Partner beim geringsten Verdacht automatisch unterstellen.“

Dialog ist unverzichtbar
In Abstimmung mit der GEMA hat Gerhard Baral für das Kulturhaus Osterfeld eine Reihe praxisgerechter Regelungen erwirken können: „Normalerweise müssen Urheberrechte immer vor einer Veranstaltung oder Aufführung beantragt werden: Im Rahmen unserer Sondervereinbarung, und die praktizieren wir inzwischen seit 20 Jahren, rechnen wir – rückwirkend – und in halbjährlichen Intervallen ab, so können auch Ausfälle, beispielsweise durch Krankheiten von Künstlern, berücksichtigt werden. Es gibt aber Bezirksdirektionen der GEMA, die genau dies ablehnen.“ Dennoch lautet sein grundlegender Rat an alle Veranstalter, und der deckt sich beispielsweise mit dem des EVVC: „Suchen Sie immer den Dialog mit dem für Sie zuständigen GEMA-Bearbeiter in Ihrer jeweiligen Bezirksdirektion.“ (Infos unter: www.gema.de)

Verteuerung statt Vereinfachung?